Dass die meisten indischen Hochzeiten
arrangiert sind, habe ich ja bereits erwähnt. Doch die ganze
Hintergrund- und Zusatzinformation fehlen noch.
Monatlich werden in Indien 50 000
weibliche Föten abgetrieben. Der Grund: Mädchen sind unerwünscht
und zu teuer. Zudem werden viele neugeborene Mädchen ausgesetzt. Die
Zahl ist unbekannt. Es gibt viele NGO's, die Heime für solche
Mädchen bauen damit sie nicht auf der Straße umkommen.
Offiziell
ist es seit 1994 in Indien verboten per Ultraschall das Geschlecht
eines Ungeborenen zu erfahre. Auch Abtreibung ist illegal. Doch
trotzdem wird es überall praktiziert und Ärzte verdienen ein
Vermögen. Es sei so schwer, das Ganze zu kontrollieren. Schon jetzt
herrscht eine große Geschlechterkluft. Denn jeder weiß, dass es so
nicht weitergehen kann, doch trotzdem will keiner ein Mädchen. Die
reichen Inder haben das Geld, denn so eine Abtreibung ist nichts für
sie. Ärmere geben gerne umgerechnet 17 Euro dafür aus, denn es ist
viel weniger als eine ganze Hochzeit eines Mädchens zu bezahlen.
Das Mitgiftproblem ist noch Alltag in
Indien. Die Eltern des Mädchens suchen einen Partner aus. Die Eltern
dieses Mannes stellen eine Summe für die Hochzeit. Somit müssen die
Eltern des Mädchen meist ihr ganzes Vermögen für die Hochzeit und
Geschenke für den Bräutigam ausgeben. Das ist tatsächlich immer
und ausschließlich so! Die Feste sind sehr teuer und eine Last für
die Eltern. Deshalb sind Jungen einfach beliebter, denn sie bringen
Geld und Hilfe und irgendwann eine Frau, mit ihrer Aussteuer, mit
nach Hause.
Die Tradition ist zu stark. Das Problem
zu groß und zu ignoriert.
Ich durfte bisher eine arrangierte -
und eine Liebeshochzeit miterleben. Ein Mädchen aus meinem PG durfte
nach sechs Jahren Kampf und Diskussionen mit ihren Eltern den Mann
heiraten, den sie liebt. Das ist noch eine Seltenheit und lange nicht
alltäglich. Auch von Seiten der heutigen Schwiegereltern dürfte es
Zweifel gegeben haben, ob die Familie der Braut genug Geld für die
Hochzeit zur Verfügung habe und ob sie die Richtige sei. Einen
wirklichen Unterschied konnte ich zwischen den Hochzeiten nicht
sehen, nur das die Braut der Liebeshochzeit etwas öfter gelächelt
hat, doch sehr glücklich sah sie trotzdem nicht aus, da die Hochzeit
das Ehepaar erschöpft.
Eine normale Hochzeit der
Mittelschicht fängt bei ungefähr 600.000 Rupien an, das sind
ungefähr 9100 Euro. Wenn man bedenkt, wie niedrig der Lohn für gute
Jobs in Indien ist, so kann man sich ausmalen, was für eine Bürde
die Hochzeit einer Tochter für die Familie bedeutet.
Die Hochzeit ist für beide eine
anstrengende Zeit, da sie bis zu einer Woche dauern kann und viele
Rituale mit sich bringt. Für den Vater der Braut ist das Ganze mit
sehr viel Stress verbunden, da er alles organisieren muss und dafür
sorgt, dass sich alle wohl fühlen und dass alles nach Plan läuft.
Der engste Familienkreis nimmt sich meist mindestens eine Woche
Urlaub um die Hochzeit traditionell zu zelebrieren. Ich habe schon
ein Mal erlebt, dass der Vater einer Braut sich einen Monat Urlaub
genommen hat.
Die ersten Tage werden zusammen Zuhause
mit den engsten Verwandten verbracht.
An einem Tag wird beispielsweise die
Braut mit Mehindi (Henna) geschmückt. Das dauert Stunden, da sie an
sehr vielen Stellen am Körper die feinen und aufwendigen Malereien
erhält. Alle weiblichen, engen Verwandten beider Familien treffen
sich und kriegen die Verzierungen, die jedoch kleiner ausfallen als
bei der Braut selbst. Die Braut soll sich an diesem Tage erholen.
Erst nach dem das Mehinhi verblasst ist, muss die Frau im Haushalt
des Ehemannes mithelfen.
Der Sangit ist auch ein wichtiger
Bestandteil. An diesem Tag singen die weiblichen Familienmitglieder
traditionelle indische Lieder und tanzen sogar. Dabei lernen sich
beide Seiten gegenseitig kennen.
In Nordindien ist es üblich, dass der
Bräutigam mit einem Pferd zur Festhalle reitet und von einem
Hochzeitsumzug verfolgt wird. Es wird Musik gespielt und die Menschen
tanzen bis zur Festhalle zu lauter Musik.
Die letzten zwei Tage der Hochzeit sind
die wichtigsten und am größten gefeierten, da hierfür eine große
Halle gemietet wird und unzählige Bekannte eingeladen werden. Hier
findet die „richtige Heirat“, das Pheras statt. Die Braut wird
herausgeputzt und gleicht einer Puppe, die sich kaum bewegen kann in
ihrem schweren Sari. Dieser hat meist die Farbe Rot, Orange oder
Brauntöne.
Ein Brahmanenpriester führt die
Rituale durch. Ein wichtiger Brauch ist das Umkreisen eines heiligen
Feuers. Das Brautpaar hält es zusammen fest um kreist das Feuer
sieben Mal herum. Danach ist es offiziell verheiratet. Das kann bis
zu drei Stunden dauern. Ein Ritual nach dem Nächsten, ein Foto nach
dem Anderen. Und das wichtigste des ganzen: Essen! Alle Gäste
werden sofort in einen Saal geschickt um sich die Bäuche
vollzuschlagen. Dass das ganze ungeheuer teuer ist, kann man sich gut
vorstellen, wenn man die Menschenmasse sieht. Ständig kommen und
gehen neue Gäste. Die meisten Gäste gratulieren schnell, essen und
gehen mit vollem Magen wieder Nachhause.
So habe ich es erlebt und so wird es
mir immer wieder erzählt. Für Inder ist das nun mal so, sie kriegen
auch von allen möglichen Leuten Einladungen. Hochzeiten haben einen
hohen Stellenwert. Wenn man bei jemandem eingeladen war, solle man
sich sozusagen auf seiner eigenen Hochzeit revanchieren. Da es
außerdem ein einmaliges Ereignis ist, wird an Stoffen, Kleidung,
Essen und Dekorationen nicht gespart.
Ich hoffe, ich konnte euch einne kleinen Einblick geben. Das Mädchenproblem sehe ich oft und es ist nicht einfach für mich damit umzugehen. Doch muss ich es als Teil von Indien sehen und hoffen, dass die Regierung und die Menschen in diesem Lande ihre Augen nicht verschließen und bald mit dieser Tradition brechen, da sonst die Hälfte der indischen Bevölkerung pervers vernichtet und menchenfeindlich wird!
Quellen:
http://www.welt.de/print/die_welt/vermischtes/article106265926/Indiens-verlorene-Toechter.html
und Berichte von indischen Freunden