Kaum angekommen von meiner Reise durch
den Norden Indien (ja, ein Bericht kommt bald!) habe ich am 28.
Februar wieder mit der Arbeit begonnen und war überglücklich als ich wieder in meine süßen,
hübschen indischen Kinderaugen sehen konnte. Sie haben mir wirklich sehr
gefehlt. In der Schule hat sich in den drei Wochen, in denen ich
abwesend war, einiges getan. Meine Schule hat jetzt fließendes
Wasser. Ich bin sehr froh über diese Entwicklung. Außerdem habe
ich erfahren, dass meine „Lieblingslehrerin“ (sie war sozusagen
meine Ansprechpartnerin im Projekt, da sie die einzige war die
einigermaßen Englisch sprechen konnte) schwanger sei und nicht mehr
in die Schule komme, da ihr Arzt ihr Bettruhe verordnet hat. Für
mich eine Neuigkeit mit zwei Seiten – einerseits freute ich mich
für sie, da sie erst eine Tochter hat und es in ihrem schon recht
hohen Alter (35) endlich geschafft hat noch ein Mal schwanger zu
werden. Sie hatte sich schon lange ein weiteres Kind gewünscht.
Außerdem freute ich mich für Sammu, das ist ihre neunjährige
Tochter, da sie endlich ein Geschwisterchen bekommen würde. Sie kam
jedes Mal nach der Schule zu uns an die Schule. Sie geht auf eine
besondere staatliche Schule und spricht sehr gut Englisch. Ich habe
mich mit der kleinen befreundet und sie lieb gewonnen. Jeden Tag
habe sie gesehen und mit ihr vernünftig reden können (nicht so mit
meinen Kollegen aufgrund ihrer mangelnden Englischkenntnissen). Sie
und ihre Mutter würde ich also nicht mehr in der Schule sehen! Das
war die andere, traurige Seite der Neuigkeit.
Zwei Tage darauf ging die Action, um
die es in diesem Blogeintrag gehen soll, weiter. Am Donnerstag wurde
ich von einer Lehrerin gefragt, ob ich mit auf das „Camp“ wollte.
Darüber hatten die Kinder schon lange geredet. Ich hatte mich immer
noch nicht richtig von unserer Reise erholt, sagte aber aus Neugierde
zu. So etwas konnte ich mir doch nicht entgehen lassen!
Naja.. so begeistert war ich nach
einigen Stunden leider nicht mehr. Erst mussten wir in der prallen
Mittagshitze mit Gepäck zu einer viel zu weit entfernen Zugstation
laufen. Angekommen, mussten wir waten. Lange warten. Als endlich der
Zug kam, quetschte ich mich mit sieben Mädchen auf eine Sitzreihe, die
für drei Leute gedacht ist. Alles machbar. Gut gelaunt ging es los.
Zwar dauerte die Fahrt nur eine halbe Stunde, doch die Mütter der
Kinder haben es gut mit ihnen gemeint und sie mit riesigen Lunchboxen
und sonstigem Knabberkram ausgestattet. Essen geteilt, gesungen und
sich gefreut!
In Najangud angekommen, mussten wir
wieder warten. Der Bus kam nicht. Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht
klar, dass wir noch 34 Kilometer in ein abgelegenes Dorf fahren
müssen. Nach ewigem Herumsitzen wurde verkündigt, dass uns eine Art
Truck ins Dorf befördern würde. Vorne saß ich mit einer Kollegin,
einer Mutter, einer Lehrerin einer anderen Schule und dem Fahrer.
Hinten auf der Ladefläche haben es sich die inzwischen über 40
Kinder bequem gemacht. Das Gepäck wurde schön typisch mit ein paar
Seilen auf dem Dach befestigt. Eine Huckelfahrt, die die Kinder
aufschrien ließ, einige zum Übergeben gebracht hat und mir Sorgen
um meinen Rucksack (inclusive Spiegelreflexkamera), der sich oben
befand, beschert hat. Ich war müde, fertig mit den Nerven und wollte
einfach nur ankommen. Das war eindeutig die huckeligste Fahrt in
Indien! Später stellte sich auch heraus, warum. Als wir ankamen, war
es längst dunkel. Wir hielten vor einer Schule und alle stiegen
aus. Und nun? Ich wollte schlafen. Die Kinder liefen in die
Klassenräume. Verzweifelt fragte ich meine Kollegin wo wir denn
schlafen würden. Doch sind ihre Englischkenntnisse so schlecht, dass
sie mir nicht einmal diese simple Frage beantworten konnte. Als
erstes wurde das Gepäck abgelegt. Gleich darauf wurde Essen
verteilt. Auf dem Boden im Schneidersitz vor einem Bananenblatt haben
alle gierig auf das Essen gewartet. Jetzt waren noch mehr Kinder da –
die Schüler aus dem Dorf waren auch von der Partie. Verteilt wurde
das Essen von den Dorfbewohnern. Die Schule war klein, aber recht
schön und neu. Es war schon sehr spät als alle fertig. Die Kinder
liefen alle wieder in die Klassenräume. Einige fingen an ihre an
ihre Bettbezüge aus ihren Taschen herauszukramen und auf dem Boden
zu verteilen. Dann wurde mir klar, wo und wie ich die nächsten zwei
Nächte schlafen werde. Auf dem Boden einer Klassenraumes auf einem
einfachen Tuch (das ich nicht einmal dabei hatte). Meine Euphorie war
kaum zu bändigen! So verbrachte ich die Nächte mit 25 Kindern in
einem Raum. Natürlich durfte ich ein paar Zentimeter von Laken der
Kinder haben. Ich konnte mich auf Grund von Platzmangel nicht bewegen
und bekam regelmäßig von dem Mädchen neben mir eine geklatscht –
sie hat wohl beim Schlafen vergessen, dass jemand neben ihr liegt...
An schlafen war also wohl nicht zu denken.
Wozu auch, wenn man schon
um halb 5 geweckt wurde. Alle Kinder versammelten sich auf dem
Schulhof und saßen im Schneidersitz bereit für den „Prayer“.
Vorne saßen die Lehrer der Schulen und jeweils einer hat aus einem
Buch vorgelesen oder gesungen. Die Kinder sprachen es mit
geschlossenen Augen nach. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Meine
Füße schliefen ein und schmerzten. Beeindruckend, wie lange Inder
im Schneidersitz sitzen können ohne sich zu bewegen. Bis zum
Sonnenaufgang wurde gebetet. Erleichtert brachte ich meine Beine in
eine andere Position. Danach ging es zur Mitte des Dorfes (nur ein
paar Schritte weiter), dort wurde eine kleine Bühne aufgebaut. Die
Kinder nahmen wieder auf dem Boden Platz und die Lehrer, Direktoren
und sonstige Veranstalter auf der Bühne. Die Kinder waren
ordentlich in Uniformen, ebenso die Erwachsenen in irgendwelchen
traditionellen dazu passenden Kleidungen. Sie sangen oder riefen
irgendwelche Texte ins Mikro, die Kinder sprachen es nach. So ging es
den ganzen Tag. Zwischendurch wurden noch Drillübungen gemacht oder
Tänze geprobt. Ersteres sah für mich affig aus, ich musste mir das
Lachen verkneifen. Aus Deutschland kenne ich so etwas nicht.
Allgemein war das ganze sehr langweilig für mich. Den Sinn der
Übungen habe ich nicht verstanden und die Texte ebenso wenig. Es war
wirklich alles auf Kannada! Ich konnte mit niemandem reden. Aufs
Essen hab ich mich immer sehr gefreut. Nicht wegen des Essens an sich
(ich bin immer noch kein Reisliebhaber), sondern weil die Kinder
zurück zur Schule gelaufen sind und die Stimmung lockerer wurde. Die
Kinder durften Kinder sein und ich hatte Spaß mit ihnen.






Am nächsten Tag stellte sich heraus,
warum am Tag davor bestimmte Lieder oder Drillübungen unzählige
Male wiederholt und einstudiert wurden. Einige „wichtige“
Menschen kamen aus Nanjangud und Mysore in das 100-Seelen Dorf um
sich die „Show“ der Kinder anzuschauen. Zuvor wurde ein Marsch
durchs Dorf veranstaltet. Alle Kinder haben eine Schlange gebildet.
Vorne haben ein paar Jungs auf Trommeln gehauen und in Trompeten
geblasen. Plötzlich fingen alle an Parolen zu schreien. Ich hab mal
wieder nichts verstanden. So bin ich brav mitgelaufen und habe das
süße Örtchen gemustert. Viele, kleine Hütten, unzählige Kühe
und kein Plastik und Müll auf dem Boden, da es auch keine Läden
oder Stände gab, wie man es sonst aus größeren Orten kennt. Alle
Einwohner kamen aus ihren Häuschen raus und haben sich das Spektakel
angeschaut. Es war toll.
Das große Event war für mich mal
wieder eher langweilig. Die wichtigen Menschen haben viel zu lange
reden auf Kannada gehalten und die Gesänge habe ich ja schon einen
Tag zuvor zu genüge gehört. Doch irgendwann wurde meine Langeweile
gebrochen. Meine Mädchen liefen hektisch ins Klassenzimmer um ihre
schicken Kleider anzuziehen, ganz viel Schmuck umzuhängen und sich
Haare flechten zu lassen. Der Stress war ganz umsonst, denn als sie
fertig waren, mussten wir noch zwei Stunden warten.
Ich wurde des Öfteren auf die Bühne
gebeten und sollte etwas auf Kannada sagen und das Camp loben.
Natürlich war es nicht viel was ich sagen konnte, aber alle haben
sich furchtbar gefreut! Bei meiner letzten Aufforderung wurde ich,
wie die anderen wichtigen Gäste, geehrt. Ich erhielt einen
Blumenkranz, ein Monument und eine Art Umhang, der dafür steht, das
mir besonderer Respekt gezeigt wird.
Die Veranstaltung zog sich. Viel länger
als erwartet. Als meine Mädchen endlich an der Reihe waren, waren
sie fast schon zu müde vom ganzen Warten. Außerdem war es wirklich
warm.
Nach einem viel zu späten Mittagessen
sollte es dann endlich zurück nach Mysore gehen. Ich war
erleichtert, als es hieß, die Function sei vorbei. Auch der Rückweg
wurde noch lustig. Alles andere als durchplant und ein reinstes
Chaos. Über hundert Umwege sind wir irgendwann abends in Mysore
angekommen. Ich erwähne an dieser Stelle nur eine der vielen Fahrten
in einem Minivan (Auto für 8 Personen). Wir haben uns mit 27
Personen + Gepäck in eins quetschen können. Das nenn ich mal eine
Leistung! Das hätte ich gern fotografiert, doch konnte mich keinen
Zentimeter bewegen.
Es war ein einzigartiges Wochenende,
das mir noch ein Mal das Dorfleben, die indische Kultur und ihre
Menschen näher gebracht hat. Es hat meine Kinder und mich
zusammengeschweißt. Aber es war auch ein Wochenende des
Unverstandenseins und ich habe mich auf mein Bett gefreut. Zudem
wartete Yvonne Zuhause mit unserer indischen Freundin Sangeetha.
Yvonne hatte an dem Tag Geburtstag und mir wollten uns zur Feier des
Tages Pizza liefern lassen! Jaa, das geht! Pizza in Indien! Zwar
nicht hundertprozentig wie in Deutschland, aber gut und es hat uns
glücklich gemacht.
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Mein Preis |
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Meine süße Gruppe
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