Donnerstag, 15. März 2012

Bharatha Sevadala Camp

Kaum angekommen von meiner Reise durch den Norden Indien (ja, ein Bericht kommt bald!) habe ich am 28. Februar wieder mit der Arbeit begonnen und war überglücklich als ich wieder in meine süßen, hübschen indischen Kinderaugen sehen konnte. Sie haben mir wirklich sehr gefehlt. In der Schule hat sich in den drei Wochen, in denen ich abwesend war, einiges getan. Meine Schule hat jetzt fließendes Wasser. Ich bin sehr froh über diese Entwicklung. Außerdem habe ich erfahren, dass meine „Lieblingslehrerin“ (sie war sozusagen meine Ansprechpartnerin im Projekt, da sie die einzige war die einigermaßen Englisch sprechen konnte) schwanger sei und nicht mehr in die Schule komme, da ihr Arzt ihr Bettruhe verordnet hat. Für mich eine Neuigkeit mit zwei Seiten – einerseits freute ich mich für sie, da sie erst eine Tochter hat und es in ihrem schon recht hohen Alter (35) endlich geschafft hat noch ein Mal schwanger zu werden. Sie hatte sich schon lange ein weiteres Kind gewünscht. Außerdem freute ich mich für Sammu, das ist ihre neunjährige Tochter, da sie endlich ein Geschwisterchen bekommen würde. Sie kam jedes Mal nach der Schule zu uns an die Schule. Sie geht auf eine besondere staatliche Schule und spricht sehr gut Englisch. Ich habe mich mit der kleinen befreundet und sie lieb gewonnen. Jeden Tag habe sie gesehen und mit ihr vernünftig reden können (nicht so mit meinen Kollegen aufgrund ihrer mangelnden Englischkenntnissen). Sie und ihre Mutter würde ich also nicht mehr in der Schule sehen! Das war die andere, traurige Seite der Neuigkeit.

Zwei Tage darauf ging die Action, um die es in diesem Blogeintrag gehen soll, weiter. Am Donnerstag wurde ich von einer Lehrerin gefragt, ob ich mit auf das „Camp“ wollte. Darüber hatten die Kinder schon lange geredet. Ich hatte mich immer noch nicht richtig von unserer Reise erholt, sagte aber aus Neugierde zu. So etwas konnte ich mir doch nicht entgehen lassen!
Naja.. so begeistert war ich nach einigen Stunden leider nicht mehr. Erst mussten wir in der prallen Mittagshitze mit Gepäck zu einer viel zu weit entfernen Zugstation laufen. Angekommen, mussten wir waten. Lange warten. Als endlich der Zug kam, quetschte ich mich mit sieben Mädchen auf eine Sitzreihe, die für drei Leute gedacht ist. Alles machbar. Gut gelaunt ging es los. Zwar dauerte die Fahrt nur eine halbe Stunde, doch die Mütter der Kinder haben es gut mit ihnen gemeint und sie mit riesigen Lunchboxen und sonstigem Knabberkram ausgestattet. Essen geteilt, gesungen und sich gefreut!

In Najangud angekommen, mussten wir wieder warten. Der Bus kam nicht. Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, dass wir noch 34 Kilometer in ein abgelegenes Dorf fahren müssen. Nach ewigem Herumsitzen wurde verkündigt, dass uns eine Art Truck ins Dorf befördern würde. Vorne saß ich mit einer Kollegin, einer Mutter, einer Lehrerin einer anderen Schule und dem Fahrer. Hinten auf der Ladefläche haben es sich die inzwischen über 40 Kinder bequem gemacht. Das Gepäck wurde schön typisch mit ein paar Seilen auf dem Dach befestigt. Eine Huckelfahrt, die die Kinder aufschrien ließ, einige zum Übergeben gebracht hat und mir Sorgen um meinen Rucksack (inclusive Spiegelreflexkamera), der sich oben befand, beschert hat. Ich war müde, fertig mit den Nerven und wollte einfach nur ankommen. Das war eindeutig die huckeligste Fahrt in Indien! Später stellte sich auch heraus, warum. Als wir ankamen, war es längst dunkel. Wir hielten vor einer Schule und alle stiegen aus. Und nun? Ich wollte schlafen. Die Kinder liefen in die Klassenräume. Verzweifelt fragte ich meine Kollegin wo wir denn schlafen würden. Doch sind ihre Englischkenntnisse so schlecht, dass sie mir nicht einmal diese simple Frage beantworten konnte. Als erstes wurde das Gepäck abgelegt. Gleich darauf wurde Essen verteilt. Auf dem Boden im Schneidersitz vor einem Bananenblatt haben alle gierig auf das Essen gewartet. Jetzt waren noch mehr Kinder da – die Schüler aus dem Dorf waren auch von der Partie. Verteilt wurde das Essen von den Dorfbewohnern. Die Schule war klein, aber recht schön und neu. Es war schon sehr spät als alle fertig. Die Kinder liefen alle wieder in die Klassenräume. Einige fingen an ihre an ihre Bettbezüge aus ihren Taschen herauszukramen und auf dem Boden zu verteilen. Dann wurde mir klar, wo und wie ich die nächsten zwei Nächte schlafen werde. Auf dem Boden einer Klassenraumes auf einem einfachen Tuch (das ich nicht einmal dabei hatte). Meine Euphorie war kaum zu bändigen! So verbrachte ich die Nächte mit 25 Kindern in einem Raum. Natürlich durfte ich ein paar Zentimeter von Laken der Kinder haben. Ich konnte mich auf Grund von Platzmangel nicht bewegen und bekam regelmäßig von dem Mädchen neben mir eine geklatscht – sie hat wohl beim Schlafen vergessen, dass jemand neben ihr liegt... An schlafen war also wohl nicht zu denken.

Wozu auch, wenn man schon um halb 5 geweckt wurde. Alle Kinder versammelten sich auf dem Schulhof und saßen im Schneidersitz bereit für den „Prayer“. Vorne saßen die Lehrer der Schulen und jeweils einer hat aus einem Buch vorgelesen oder gesungen. Die Kinder sprachen es mit geschlossenen Augen nach. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Meine Füße schliefen ein und schmerzten. Beeindruckend, wie lange Inder im Schneidersitz sitzen können ohne sich zu bewegen. Bis zum Sonnenaufgang wurde gebetet. Erleichtert brachte ich meine Beine in eine andere Position. Danach ging es zur Mitte des Dorfes (nur ein paar Schritte weiter), dort wurde eine kleine Bühne aufgebaut. Die Kinder nahmen wieder auf dem Boden Platz und die Lehrer, Direktoren und sonstige Veranstalter auf der Bühne. Die Kinder waren ordentlich in Uniformen, ebenso die Erwachsenen in irgendwelchen traditionellen dazu passenden Kleidungen. Sie sangen oder riefen irgendwelche Texte ins Mikro, die Kinder sprachen es nach. So ging es den ganzen Tag. Zwischendurch wurden noch Drillübungen gemacht oder Tänze geprobt. Ersteres sah für mich affig aus, ich musste mir das Lachen verkneifen. Aus Deutschland kenne ich so etwas nicht. Allgemein war das ganze sehr langweilig für mich. Den Sinn der Übungen habe ich nicht verstanden und die Texte ebenso wenig. Es war wirklich alles auf Kannada! Ich konnte mit niemandem reden. Aufs Essen hab ich mich immer sehr gefreut. Nicht wegen des Essens an sich (ich bin immer noch kein Reisliebhaber), sondern weil die Kinder zurück zur Schule gelaufen sind und die Stimmung lockerer wurde. Die Kinder durften Kinder sein und ich hatte Spaß mit ihnen.







Am nächsten Tag stellte sich heraus, warum am Tag davor bestimmte Lieder oder Drillübungen unzählige Male wiederholt und einstudiert wurden. Einige „wichtige“ Menschen kamen aus Nanjangud und Mysore in das 100-Seelen Dorf um sich die „Show“ der Kinder anzuschauen. Zuvor wurde ein Marsch durchs Dorf veranstaltet. Alle Kinder haben eine Schlange gebildet. Vorne haben ein paar Jungs auf Trommeln gehauen und in Trompeten geblasen. Plötzlich fingen alle an Parolen zu schreien. Ich hab mal wieder nichts verstanden. So bin ich brav mitgelaufen und habe das süße Örtchen gemustert. Viele, kleine Hütten, unzählige Kühe und kein Plastik und Müll auf dem Boden, da es auch keine Läden oder Stände gab, wie man es sonst aus größeren Orten kennt. Alle Einwohner kamen aus ihren Häuschen raus und haben sich das Spektakel angeschaut. Es war toll.








Das große Event war für mich mal wieder eher langweilig. Die wichtigen Menschen haben viel zu lange reden auf Kannada gehalten und die Gesänge habe ich ja schon einen Tag zuvor zu genüge gehört. Doch irgendwann wurde meine Langeweile gebrochen. Meine Mädchen liefen hektisch ins Klassenzimmer um ihre schicken Kleider anzuziehen, ganz viel Schmuck umzuhängen und sich Haare flechten zu lassen. Der Stress war ganz umsonst, denn als sie fertig waren, mussten wir noch zwei Stunden warten.

Ich wurde des Öfteren auf die Bühne gebeten und sollte etwas auf Kannada sagen und das Camp loben. Natürlich war es nicht viel was ich sagen konnte, aber alle haben sich furchtbar gefreut! Bei meiner letzten Aufforderung wurde ich, wie die anderen wichtigen Gäste, geehrt. Ich erhielt einen Blumenkranz, ein Monument und eine Art Umhang, der dafür steht, das mir besonderer Respekt gezeigt wird.

Die Veranstaltung zog sich. Viel länger als erwartet. Als meine Mädchen endlich an der Reihe waren, waren sie fast schon zu müde vom ganzen Warten. Außerdem war es wirklich warm.













Nach einem viel zu späten Mittagessen sollte es dann endlich zurück nach Mysore gehen. Ich war erleichtert, als es hieß, die Function sei vorbei. Auch der Rückweg wurde noch lustig. Alles andere als durchplant und ein reinstes Chaos. Über hundert Umwege sind wir irgendwann abends in Mysore angekommen. Ich erwähne an dieser Stelle nur eine der vielen Fahrten in einem Minivan (Auto für 8 Personen). Wir haben uns mit 27 Personen + Gepäck in eins quetschen können. Das nenn ich mal eine Leistung! Das hätte ich gern fotografiert, doch konnte mich keinen Zentimeter bewegen.

Es war ein einzigartiges Wochenende, das mir noch ein Mal das Dorfleben, die indische Kultur und ihre Menschen näher gebracht hat. Es hat meine Kinder und mich zusammengeschweißt. Aber es war auch ein Wochenende des Unverstandenseins und ich habe mich auf mein Bett gefreut. Zudem wartete Yvonne Zuhause mit unserer indischen Freundin Sangeetha. Yvonne hatte an dem Tag Geburtstag und mir wollten uns zur Feier des Tages Pizza liefern lassen! Jaa, das geht! Pizza in Indien! Zwar nicht hundertprozentig wie in Deutschland, aber gut und es hat uns glücklich gemacht.


Mein Preis

Meine süße Gruppe

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